Mondnacht (1837) - Joseph von Eichendorff

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Joseph von Eichendorff 1. Es war, als hätt der Himmel
2. Die Erde still geküßt,
3. Daß sie im Blütenschimmer
4. Von ihm nun träumen müßt.

5. Die Luft ging durch die Felder,
6. Die Ähren wogten sacht,
7. Es rauschten leis die Wälder,
8. So sternklar war die Nacht.

9. Und meine Seele spannte
10. Weit ihre Flügel aus,
11. Flog durch die stillen Lande,
12. Als flöge sie nach Haus.

Gedichtprofil

Allgemein
Name: Mondnacht
Autor: Joseph von Eichendorff
Veröffentlicht: 1837
Epoche: Romantik
Gattung: Naturlyrik

Formal
Verse: 12
Strophen: 3
Metrum: Jambus
Reimschema: abab, cdcd, efef
Reimart: Kreuzreim
Kadenz: weiblich

Sprachlich/Stilistisch
Wortfelder: Natur
Adjektive: still, sacht, leise, sternklar
Tempus: Präteritum
Stilmittel: Metapher (V.1-2,9-12), Onomatopoesie (V.7)

Erzähler
Lyrisches Ich: Ja
Perspektive: Auktorial
Haltung: zufrieden

Analyse und Interpretation


„Es schläft ein Lied in allen Dingen...“ So lässt Eichendorff seine „Wünschelrute“ beginnen. Und eben dieses Lied lässt Eichendorff durch seine Gedichte, durch sein Zauberwort erklingen und preist so die Magie der Natur. Auch das Naturgedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff entstand, im Jahre 1837, zur Zeit der Romantik. Es besteht aus drei vierzeiligen Strophen, in denen eine mystische und geheimnisvolle Stimmung erzeugt wird. Eichendorff beschreibt in dem Gedicht die Gefühle und Eindrücke eines lyrischen Ichs in einer Mondnacht.

Das ganze Gedicht steht im Präteritum. In der ersten Strophe beschreibt der Verfasser eine Szene, in der Himmel und Erde in der Nacht optisch miteinander verschmelzen. Der Himmel ist der Akteur, der seine Geliebte, die Erde, küsst. Die Erde selbst träumt im Schein ihres Geliebten von ihm. Der Blütenschimmer weist auf Leben hin, aber auch auf die Verbundenheit von irdischen Blüten und himmlischem Lichtschimmer. Die Szene steht im Konjunktiv und stellt die Stimmung der Nacht deutlich dar. Die zweite Strophe beschreibt die Beschaffenheit der Erde. Es herrscht Harmonie und Ruhe, der Himmel selbst ist auch sternenklar. Die Strophe beschreibt das Umfeld der Szene. Der Wind stellt eine weitere Verbindung zwischen Himmel und Erde her. Alles ist sehr ruhig, die personifizierte Luft geht durch Felder, die wiederum Assoziationen zu ländlicher Idylle und Fruchtbarkeit erzeugen, ebenso wie die Ähren. Der Blick des Betrachters wird schließlich von der Erde hinauf zum Himmel, zu den Sternen gelenkt. In dieser Strophe wird also besonders auf die sinnliche Wahrnehmung des lyrischen Ichs eingegangen. Die dritte Strophe beschreibt das Gefühl des lyrischen Ichs. Ein Gefühl der Freiheit wird deutlich. Durch diese Szene voller Harmonie wird in ihm das Gefühl geweckt, seine Seele verbreitere sich und fliege nach Hause. Die Gefühle des lyrischen Ichs werden also von der Stimmung und seiner Wahrnehmung beeinflusst, auch das Ich will sich eins mit dem Himmel fühlen.

Das Gedicht ist im Hakenstil geschrieben, der Geschwindigkeit erzeugt. Viele assoziative Begriffe werden verwendet wie Himmel, Erde, Luft, Nacht, Felder, Seele, Flügel oder Land. Eichendorff benutzt hierbei vor allem die Wortfelder Landwirtschaft und Natur. Es werden dynamische Verben gewählt wie küssen, gehen, wogen, rauschen, ausspannen, fliegen. Statische Verben wie Träumen verdeutlichen die Passivität der Erde. Abstrakte und konkrete Ausdrücke werden nebeneinander verwendet. Die Verse sind sehr bildhaft. Personifikation wie Himmel/Erde, Luft, Ähren, Wälder, Seele machen das Gedicht lebendig. Die feierliche Atmosphäre wird durch die Stille noch hervorgehoben. Still und leise sowie träumen (Schlaf) und sternenklar werden dazu verwendet. Versmaß ist der Jambus, der eine gleichmäßige und fließende Wirkung erzielt. Die Endungen der Verse sind abwechselnd weiblich und männlich. Pro Vers gibt es drei Hebungen. Der regelmäßige Aufbau wird durch den Kreuzreim unterstützt. Pro Strophe ergeben sich Paare aus erstem-dritten und zweitem-vierten Vers. So wird ein Zusammenhang zwischen Versen hergestellt, die durch einen anderen Vers getrennt werden. Durch „und“ wird das lyrische Ich in der letzten Strophe in die ganze Szene eingebunden. Die Metapher „Flügel“ erinnert an einen Vogel, also an Freiheit. Das „weit“ ist inversiert und betont wie weit die Seele sich öffnet, um die nächtliche Stimmung aufzunehmen. Die „stillen Lande“ stellen einen Bezug zur zweiten Strophe her. Auch „flog“ ist durch eine Ellipse bedingt am Anfang des Verses zu finden. „Flügel, flog, flöge“ stammen aus derselben Wortfamilie und verdeutlichen den schwerelosen Zustands des lyrischen Ichs. „Nach Haus“ und „Himmel“ sind Synonyme und haben denselben Anfangsbuchstaben und stellen eine Verbindung zwischen erster und letzter Strophe her. In der ersten Strophe neigt sich der Himmel zur Erde, die zweite ist auf der Erde, der Flug der Seele zum Himmel folgt in der dritten Strophe. Es gibt also einen Kreislauf.

Das Gedicht ist typisch für die Romantik. In ihr werden Vernunftsglaube und ästhetische Erziehung verworfen und das Gefühl steht im Mittelpunkt literarischen Empfindens. Das Ziel ist es, die Welt möglichst intensiv zu erleben. Der Alltag wird ins Mystisch-Außergewöhliche transformiert. Diese Flucht vor der Realität ist die Reaktion auf eine Sinnkrise dieser Zeit. Die Aufklärung und die französische Revolution hatten nicht die erhofften Änderungen herbeigeführt und die Industrialisierung reduzierte den Menschen zu seinem ökonomischen Nutzwert. Der einsame Dichter und seine nie zu stillende Sehnsucht richtete sich jetzt auf die idyllisch, verklärte Natur. Die tiefe Sehnsucht nach Harmonie wird auch bei Eichendorff deutlich. Der Mond selbst kommt nur in der Überschrift vor und weckt sofort märchenhafte Vorstellungen. Die Nacht als Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit wird durch den Mond erhellt und ist somit weniger bedrohlich und steigert die Empfindsamkeit. Die Form spiegelt sich im Inhalt wieder, jede Strophe bildet einen eigenen Sinnabschnitt. Die erste beschreibt die Atmosphäre der Nacht, die zweite die sinnliche Wahrnehmung und die dritte auf die geistig-seelischen Empfindungen des lyrischen Ichs. Zu Beginn verschmelzen Himmel und Erde in einem Liebesverhältnis. Sie bilden also eine harmonierende Einheit. Der Himmel mit all seinen Assoziationen zu Göttern, Freiheit und Ewigkeit erreicht den Menschen auf der Erde. Die Grenze zwischen Himmel und irdischem Dasein schwindet. Alles Leben (Blüten) träumt von Himmel, vom ewigen glücklichen Leben. Um die Feierlichkeit dieses Moments zu erhöhen, ist die Umgebung ruhig und das Feld und die Ähren als Symbol für Fruchtbarkeit unterstützen die Wirkung nochmals. Die Luft ist nochmals Verbindungsstück zwischen den beiden Welten. Diese Ruhe spiegelt sich im Himmel wieder, die Nacht ist sternklar. Die himmlische Ruhe ist auch auf der Erde eingekehrt. Von diesem Gefühl überwältigt und von der Sehnsucht nach Verschmelzung mit dieser ewigen Harmonie getrieben durchflutet das lyrische Ich ein Gefühl des Glücks. Seine Seele wird groß und leicht in seiner übermenschlichen Stimmung, als kehrte sie zu ihrem Ursprung, zum Himmel zurück, so nah fühlt es sich diesem. Hier wird der religiöse Bezug zum Christenglauben deutlich. Der Anblick der Sterne ist Anlass für die Seele zum Himmel zurückzukehren. Hier wird eine Todessehnsucht deutlich, da der Tod ewige Ruhe und Harmonie verspricht. Aber das Ende, das zu hause Ankommen bleibt ungewiss, das wird durch den Konjunktiv deutlich. Vor dem Tod kann man nicht in den Himmel gelangen. Die totale Vereinigung der Seele in Gott ist also im Leben nicht möglich. Der Kreislauf des Gedichtes ist der Kreislauf der aus dem Himmel von Gott geschaffenen Seele, die auf die Erde niederkommt und schließlich wieder zum Himmel zurückkehrt.