Der rechte Weg (1911) - Franz Werfel

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Allgemein
Name: Der rechte Weg
Autor: Franz Werfel
Veröffentlicht: 1911
Epoche: Expressionismus
Gattung: Stadtlyrik

Formal
Verse: 14
Strophen: 4
Metrum: fünfhebiger Jambus
Reimschema: abba, abba, cde, cde
Reimart: umarmender Reim
Kadenz: männlich und weiblich

Sprachlich/Stilistisch
Wortfelder: Stadt, Wasser
Adjektive: behaglich, reizend, grell, jagend, gespenstig
Tempus: Präsens
Stilmittel: Inversion (V.2), Enjambement (V.3-4,5-6,10-11), Metapher (V.5,6), Alliteration (V.6), Exclamatio (V.7,8,9) Polyptoton (V.13), Geminatio (V.14)

Erzähler
Lyrisches Ich: Ja
Perspektive: Personal
Haltung: verblüfft

Analyse und Interpretation


In dem Gedicht "Der rechte Weg" von Franz Werfel 1911 verfasst, geht es um eine Beschreibung der Stadt während des Tags und der Nacht. Das Sonett ist vermutlich dem Expressionismus zuzuordnen.

Nach meinem ersten Leseverständnis möchte Franz Werfel mit seinem lyrischen Werk, die gravierenden Unterschiede zwischen Tag und Nacht in der Stadt verdeutlichen.

Die erste Strophe schildert die Ankunft des Lyrischen Ichs in der Stadt. Während des Aufenthalts besucht "Er" Museen, Plätze und macht eine Rundfahrt durch die Großstadt. Dass dieser Tag schnell vorübergeht beschreibt die zweite Strophe. Plötzlich realisiert das lyrische Ich die Zeit und kommt in Gefahr, den Zug zu verpassen. Mit dem ersten Terzett ist die ganze Stadt in eine chaotische Metropole verwandelt, sodass sich das lyrische Ich im zweiten Terzett fragt, wo der Bahnhof ist.

Das klassische Sonett, wie es hier von Franz Werfel benutzt wird, besteht aus insgesamt 14 Versen, aufgeteilt in zwei Quartette (4), sowie Terzette (3). Das Reimschema lautet abba, abba, cde, cde und ist demnach in den Quartetten ein umarmender Reim. Die Reime der beiden Terzetten sind Strophenübergreifend und nicht eindeutig als Reimart definierbar. Metrisch liegt ein fünfhebiger Jambus vor, der in den Versen 1,4,5,8,9,11,12,14 Unregelmäßigkeiten aufweißt. Die Kadenzen sind zum einen weiblich (Verse 1,4,5,8,9,12,14) und zum anderen männlicher (2,3,6,7,10,11 13 ) Gattung.

Beginnend mit Strophe 1 zeigt das lyrische Ich bereits große Erwartungen und trifft auf eine (aus seiner Sicht) überdimensionale Stadt (V.1,2). So ähnelt das ganze einer Sightseeing Tour durch eine Großstadtmetropole, mit dem Besuch von populären Museen und Plätzen (V.3). Ergänzt wird das ganze durch eine "behagliche" Rundfahrt (V.4), die das Bild der Stadt idyllisch und vertraut wirken lässt. Pauschal betrachtet ist die erste Strophe fast ein Bericht eines Besuches in der Stadt.

Gemächlich "schwimmt" (V.5) das lyrische Ich in den Aderwerken der Straßen und fühlt sich in der Menge vollends wohl. In anbetracht der Zeit, die das lyrischen Ich beim harmonischen "baden im Tag" (V.6) vergessen hat, schwenkt der Wohlklang plötzlich in Panik (V.7) über. Die zahlreichen Interpunktionen in den Versen 7 und 8 sind ein Zeichen für die aufkommende Unruhe und Angst, den Zug zu verpassen (V.8). Sprunghaft ist nicht mehr die Rede von der sympathischen und bequemen Stadt. Es wirkt nun alles feindlich und schrill (V.8). Die typische Zäsur des Sonetts, verfehlt auch in dem Gedicht von Franz Werfel nicht an Wirkung. Was im Ende des zweiten Quartetts eingeleitet wurde, findet seine Fortsetzung in den Terzetten. Vermutlich ist das auch die abrupte Grenze zwischen Tag (Quartette) und Nacht (Terzette).

Alles scheint nun verwandelt und die tausenden von Autos (Hyperbel) jagen förmlich um den Erzähler herum (V.9). Anscheinend steht dieser fassungslos auf der Straße und kann die vielen optischen (V.9,10), sowie akustischen (V.11) Eindrücke nicht mit seinen Sinnen verarbeiten. Der Straßenstrom (V.5), der zu anfangs des Gedichtes noch zum "herabschwimmen" einlud, ist nun einem Verkehrgewirre gewichen (V.11).

In der vierten Strophe zeigt sich das lyrische Ich dann wieder gefasster, sodass ihm das eigentliche Ziel (der Bahnhof) wieder einfällt (V.12). Doch die Fragen nach dem Weg zum Bahnhof gehen in dem betörendem Lärm der Straße und der eigenen Überwältigung unter. Das eigentliche Ziel bleibt dem Erzähler durch die langen und leuchtenden Straßen (V.13) verborgen und ein Gefühl der Resignation tritt ein (V.14). So scheint es als hätte das Lyrische Ich sich und sein Ziel aufgegeben.

Untersucht man das Gedicht hinsichtlich seiner verwendeten Wortfelder, so fallen zwei größere Bereiche auf. Allgegenwärtig in allen Strophen dominiert das Thema Stadt (Riesenbahnhof, Museen, Plätze, Zug, Straßen, Verkehr). Des Weiteren finden sich in der zweiten Strophe, Attribute des Wassers (Herabgeschwommen, Baden, Strom).

Mit Blick auf Wirkung der Adjektive, lassen sich diese ebenfalls in zwei Gruppen unterteilen. In den beiden Quartetten bestimmen noch gemütliche und positive Adjektive die Szenerie (groß, behaglich, reizend). Der Wechsel von Quartet zu Terzett (von Tag zu Nacht), löst dann auch die affirmativen Adjektive ab und es tauchen ausschließlich unheimliche und negative Eigenschaftsworte auf (grell, jagend, gespenstig, stumm, blitzend, endlos).

Stilistisch betrachtet verwendet Werfel einige Stilfiguren. Die am häufigsten eingesetzten Mittel sind dabei die Metapher, die zwei unabhängige Bildelemente zusammenführt (V.5 "Den Straßenstrom bin ich herabgeschwommen" ; V.6 "badete im Tag") und die Personifikation, die etwas unlebendiges, vermenschlicht (V.6 "Im Tag, der reizend rann; V.9 "Auto jagen").
Zusätzlich lassen sich teils eher seltene verwendete Stilmittel finden. Darunter eine Inversion, die Umkehrung der normalen Satzstellung, (V.2 "trat den Weg ich an") oder ein Polyptoton (V.13 "Schnur um Schnur").

Darüber hinaus ist ein lyrisches Ich vorhanden und gibt sich dementsprechend häufig zu erkennen (V.1,2,5,7,11). Die Erzählhaltung ist durch die Verwendung des Personalpronomens nah und ergriffen am Geschehen.

Setzt man nun meine Interpretationshypothese mit der Analyse auseinander, so wurden meine Einschätzungen vollends bestätigt. Es herrscht, trotz der panischen Einleitung im zweiten Quartett, eine gravierende Zäsur zwischen der zweiten und dritten Strophe. Was als normale Sightseeingtour begann, endet für das lyrische Ich in einem labyrinthartigem Martyrium. Interessant zu interpretieren ist der Zusatz von Werfel, indem er dem Gedichtsnamen (Traum) hinzufügte. Das lässt auf einem möglichen Traum von Werfel hindeuten, der als Albtraum in einer hoffnungslosen Situation endete.
Zeitlich einzuordnen ist das Gedicht in den Expressionismus, da die Stadt sehr kritisch und chaotisch dargestellt wird.

Weiterführende Links
Biographie: Franz Werfel
Der Expressionismus